Keine Macht den Theologen
Ein Aufschrei von Arno Widmann
Wer es nicht wusste, bekam es gestern schriftlich (18.2.09 d. Red.) vom Bundesverfassungsgericht: „Die Wissenschaftsfreiheit von Hochschullehrern der Theologie findet ihre Grenzen am Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften.“ Das Verheerende ist, dass das Bundesverfassungsgericht recht hat. Das ist die Gesetzeslage.
Der protestantische Theologe Gerd Lüdemann hatte in einer Reihe von Veröffentlichungen klargemacht, dass er nicht mehr an die biblische Geschichte glaube, an Jungfrauengeburt, Kreuztod und Auferstehung, dass er die Bibel nicht für Gottes Wort, Jesus Christus nicht für Gottes Sohn halte. Schon darum nicht, weil er auch nicht mehr an einen Gott glaube. In seinem Unglauben habe ihn das intensive Studium der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Neuen Testamentes erheblich gestärkt.
Religionsgemeinschaften bestimmen, wie Pfarrer und Priester ausgebildet werden
Lüdemann wurde von der Fakultät und der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen die Lehrbefugnis für das Fach Protestantische Theologie abgesprochen. Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur konnte den Beamten Lüdemann nicht entlassen und richtete für Professor Lüdemann das Fach „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“ ein . So weit, so gut oder so schlecht, könnte man sagen.
Lüdemann aber focht die Entscheidung an. Die Lehrfreiheit werde durch Umdefinition des Lehrauftrags beeinträchtigt, das Wirkungsfeld des Lehrers erheblich beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht gab Lüdemanns Einwänden recht, aber „die Wissenschaftsfreiheit von Hochschullehrern der Theologie findet ihre Grenzen am Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“. Wir haben es jetzt also amtlich: Die deutsche Rechtslageim Jahre 2009 besagt, dass an deutschen Universitäten die Religionsgemeinschaften bestimmen, wie ihre Pfarrer und Priester ausgebildet werden.
Es ist höchste Zeit, die theologischen Fakultäten abzuschaffen
Wie es zu den theologischen Fakultäten kam. Kann man nachlesen. Es ist nicht die Geschichte des sich selbst offenbarenden Geistes Gottes, sondern der Kampf um die Macht über die Köpfe. Ein Kampf zwischen Landesfürsten und Universitäten, zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Lutheranern und Reformierten. Wen es interessiert, der kann sich zum Beispiel in die hessische Universitätsgeschichte vertiefen. Sie bietet Bizarrerien jeder Art.
Damit sollte Schluss gemacht werden. Wir werden unsere Probleme sonst multiplizieren müssen. Man stelle sich nur vor, demnächst gibt es muslimische, buddhistische und hinduistische Fakultäten. Wer wird bestimmen, was dort gelehrt wird? In welche Zänkereien wird sich der Staat dort noch hineinziehen lassen?
Die theologischen
Fakultäten abzuschaffen ist höchste Zeit. Theologie ist
keine Wissenschaft. Die Erforschung der Geschichte und Literatur des
frühen Christentums kann eine sein. Theologenausbildung ist
Sache der Religionsgemeinschaften, soll von ihnen organisiert und
bezahlt werden. Wie zum Beispiel Mormonen und Satanisten es eh schon
tun.