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Tierärztliches Institut für angewandte

Kleintiermedizin Hamburg-Rahlstedt

www.tierärztliches-institut-hamburg.de


Fortbildungsveranstaltung am 14.10.2012


Chirurgie der Kehlkopflähmung des Hundes

Chirurgie des Kehlkopfkollapes

Chirurgie des Brachycephalensyndroms

Chirurgie des Trachealkollapses


Modul VII www.hamburger-fortbildungstage.de


Wissenschaftliche Leitung:

Dr. Itamar Tsur, Jerusalem

Dr. Jürgen Schneider, M.Sc. Hamburg

Skripte:

Dirk Schrader, Hamburg


ATF-Anerkennung: 5 Stunden

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Vorwort

Seit etwa 2003 ist in Deutschland eine zunehmende Zahl behandlungsbedürftiger Atemnoterkrankungen der Hunde zu beobachten. Dies gilt für den Trachealkollaps ebenso wie für den Kehlkopfkollaps und das weite Spektrum des Brachycephalensyndroms sowie die Kehlkopflähmung.

Durch die Entwicklung des Stents in den USA können viele Formen des Trachealkollapses sehr gut behoben werden. Beim Kehlkopfkollaps ist es notwendig zu erkennen, welchen Grad diese Störung erreicht hat, um sich für oder gegen einen chirurgischen Eingriff zu entscheiden. Inzwischen haben sich zwei Methoden etabliert: die partielle Arytenoidektomie mittels monopolarer HF-Technik und der Einsatz von Kunststoffnetzen und die extralaryngeale Chirurgie.

Das Spektrum des Brachycephalensyndroms beginnt mit der „Ventilnase“. Sie ist mittels Diodenlaser am leichtesten zu beheben (Vestibuloplastik) Durch Katheterisierung der Nasenhöhle und die Anwendung von Kontrastmittel ist eine Choanenstenose leicht feststellbar und mit Lasertechnik und/oder eine für den Tierarzt erreichbare HNO-Frästechnik gut zu beseitigen. Diese LATE-Operation (Laser-Assisted TurbinEctomy) ist grundsätzlich nichts Neues. Sie findet in den HNO-Kliniken seit Jahrzehnten ihren Einsatz. Ebenso üblich ist in manchen Fällen die Zungengrundplastik.

Die Gaumensegelkürzung und volumenreduktion hat durch den Einsatz der HF-Chirurgie (monopolar) ihre Schrecken verloren. Ebenso die Entfernung vorgefallener Stimmtaschen, die entweder konservativ mit entsprechend feinem Instrumentarium, mit der Laser-Technik oder der monopolaren HF-Chirurgie gut zu entfernen sind. Das gilt auch für Tumore im Kehlkopf, die für den Patienten durchaus nicht final sein müssen.

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Vorbereitung des Patienten und Narkose

Die Aufklärung des Patientenbesitzers erfordert sehr viel Feingefühl für seine Aufnahmefähigkeit. Er muss unbedingt wissen, dass in extremen Fällen ein Luftröhrenschnitt (Trachealstoma) unausweichlich ist.

Mit der Platzierung eines Venenkatheters erhält bei uns jeder Patient das Medikament Medrate solubile. Etwa 10 – 20 Minuten später wird die Narkose mit Diazepam und Atropin intravenös eingeleitet. Für die Narkose selbst wird die dreifache Menge entspr. dem KGW aus Medetomidinhydrochchlorid (Cepetor CP- Pharma) und Ketamin 10 % (CP-Pharma) bereitgestellt und etwa 1/3 unter sofortiger Intubation und permanentem Sauerstoff-Jet-Stream eingeflutet. Physiologische Kochsalzlösung wird als Dauertropf angelegt. Durch einen Zungenclip und/oder eine EKG-Anwendung werden die wichtigen physiologischen Daten auf einen Monitor übertragen. Die Körpertemperatur wird während der OP und in der Aufwachphase mit Heizkissen stabilisiert.

Die ersten Feststellungen sind möglich über einen weit aufgesperrten Fang. Um einen eventuellen Larynxkollaps feststellen zu können wird bei schwacher Narkose und kurzeitiger Extubierung das Medikament Doxapram (Fa. Albrecht) angewendet.

In unserem Institut kommt ein OP-Tisch zur Anwendung, dessen Platte so hoch gefördert wird, dass leichtes Einsehen in den Fang durch den stehenden Chirurgen möglich ist. Eine Helferin stützt mit beiden Händen den Kopf des auf dem Bauch liegenden Patienten. Sandsäcke sind für bequemes Halten dringend erforderlich.

Sind alle physiologischen Daten in Ordnung wird der Patient in Seitenlage am Unterbauch so weit geschoren, dass eine Monopolar-Elektrode in Plattenform angelegt werden kann. Diese wird mit einer Bandage an den Körper angepasst. Gleichzeitig werden die Zehenzwischenräume wattiert und die Pfoten verbunden (Cave: Verbrennungen!).

Die Befunderhebung sollte stets mit einem Laryngoskop in Bildform oder als Video gesichert werden.

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Die Gaumensegelchirgurgie (Stapylektomie / Palatoplastik)

Im Falle einer Gaumensegelauffälligkeit wird das Ende des Gaumensegels (Staphylon) mit einer Bauchfellzange (sic!) gefasst und vorgezogen. An seinem Ansatz in der Schlundtiefe werden links und rechts Haltezügel angenäht, die es der Helferin ermöglichen, durch seitliches Anziehen, eine weiteste Exposition zu erzeugen.

Vor dem Ansetzen der Bauchfellklemme am Staphylon muss entschieden werden, ob es lediglich zu einer Kürzung (Staphylektomie) oder auch zu einer Volumenreduktion (Palatoplastik) kommen soll.

Das Setzen einer gebogenen Klemme entscheidet über die Schnittweite. Diese Klemme soll von einer zweiten Helferin kurzfristig gehalten werden. Der Chirurg trennt das abgeklemmte Gewebe des Staphylons ab (HF-Schnitt) und legt mit der HF-Einstellung Koagulation nach. Die Klemme wird entfernt und der Schnitt mit Monocryl 3-0 (Ethicon) in möglichst vielen Einzelheften vernäht.

Das Randgewebe des Staphylons links und rechts wird nachgeschnitten und vernäht. Die Zügel sind zu entfernen.

Zur etwaigen Entfernung der Tonsillen

Diese werden mit einer dünnen, leicht gebogenen Klemme abgeklemmt und das Gewebe mit der HF-Schlinge am Klemmenrand abgeschnitten. Vorsicht! Die Arteria tonsillaris kann sich wieder öffnen, weshalb eine Absaugvorrichtung vorhanden sein muss. Nach Koagulation der A. Tonsillaris mittels HF-Kugelstab sollte der Schnitt ebenfalls mit mehreren Einzelheften vernäht werden.

Bei extremer Schlundenge

kann das lumenverengende Gewebe in der gleichen Weise abgetrennt und vernäht werden. Vorsicht: nicht zu viel Gewebe wegnehmen, da es sonst zu einer erneuten Lumenverengung kommt, die auf Grund des Heilungsprozesses das Problem Schlundenge verschlimmert!

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Nicht selten ist es erforderlich, eine Zungengrundplastik herzustellen: Mittels HF-Skalpell werden der Zungengrund median geöffnet und links und rechts zwei parallele Schnitte gesetzt ohne die Papillen zu zerstören, um ihn bei Wiederherstellung flacher zu gestalten. Vorsicht: eine ausreichende Tamponade des tieferen Schlundes ist erforderlich. Einzelhefte sollen die Zungenschleimhaut mit der Corpus verbinden.

Chirurgie des Kehlkopfkollapses

Wir unterscheiden verschiedene Grade des Kehlkopfkollapses. Ersichtlich wird dieser dann, wenn die Helferin, die den Kopf des Patienten hält, bei Einatmung „Ein“ ruft. Unter Anwendung des Atemanaleptikums Doxapram ist genau festzustellen, wie stark die paradoxe Reaktion des Arytenoids ist.

Wenn wir uns entschließen, eine Teilresektion des Kehlkopfes durchzuführen, ist es bestimmt besser, in der Folge sofort ein Tracheostoma anzulegen.

Mit einer gewinkelten sehr schlanken Fasszange, wird das zu entfernende Larynxgewebe angehoben. Der Kopf der Fasszange wurde vorher durch die HF-Schlinge geschoben, sodass bei „Go!“ gleichzeitig angehoben und geschnitten werden kann.

Die Schnittkanten müssen sorgfältig unter Anwendung des Monocryl 3-0-Fadens mit Einzelheften vernäht werden.

Im Falle eines maximalen Kehlkopfkollapses wird zwischen das verbliebene Arytenoid und den Schildknorpel ein Prolene - Netz geschoben (Ethicon) und vernäht.

Im Falle der partiellen Larynxresektion muss ein Trachealstoma angelegt werden.

Es sollte diskutiert werden, ob grundsätzlich die Anwendung des Netzes zum Einsatz kommen soll, denn erfahrungsgemäß wird ein Kehlkopfkollaps nicht selten – wenn auch langsam- schlimmer.

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Das Anlegen eines Trachealstomas

Schon immer haben wir, lehrbuchgemäß, zwischen der 4. und 5. Trachealspange einen Schnitt gesetzt. Dieser durchtrennt ca. 50 % des Tracheallumens. Die Anwendung eines gewinkelten Trachealtubus (verschiedene Größen, Fa. Eickemeyer) erscheint uns riskant, da die meisten Patienten eine erhebliche Bronchialsekretion aufweisen. Dieser Bronchialschleim kann innerhalb weniger Augenblicke den Trachealtubus verkleben.

Aus diesem Grunde nähen wir so ein Trachealstoma „auf“, was bedeutet, dass die jeweiligen Trachealspangen nach cranial bzw. nach caudal verzogen werden. Vorsicht mit der Zugspannung! Mindesten 8 Heftnähte sind notwendig, um Haut und Trachealgewebe miteinander zu verbinden. Erfahrungsgemäss bringt die Anwendung von Prolene 2-0 (Ethicon) gute Ergebnisse.

Dieses Stoma muss gepflegt werden: Die Anwendung von 3%igem Wasserstoffperoxyd und gesättigte Kaiser Natron-Lösung zum Umwaschen des Stomas ist obligat. Das Stoma sollte nach 4 Tagen wieder lege artis geschlossen werden. Vorgabe: Das legen von mindestens 4 Monocryl 4-0 - Fäden

Derzeit ist eine begleitende Therapie für zunächst 5 Tage mit Amoxiclav Tbl. bei uns üblich.

Der Patient wird mit Atipamezolhydrochlorid (Revertor CP-Pharma) aus der Narkose geholt, mit Synulox versorgt und unter Beobachtung (Intensive Care) bis zum Wachsein begleitet.

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Die Chirurgie der Kehlkopflähmung (Larynxparalyse)

Beim Hund ist die Larynxparalyse vorwiegend bei älteren Hunden größerer Rassen bekannt. Meist sind die Aryknorpel bilateral gelähmt. Selten kommt es zu der L. bei jungen Hunden oder sekundär infolge einer Hypothyreose. Die Symtomatik stellt sich durch ausgeprägte inspiratorische Dyspnoe, laryngealen Stridor und häufig durch eine Stimmveränderung („heiseres“ Bellen) dar. Sehr selten ist die L. bei Katzen zu finden. Das chirurgische Management ist möglich durch intra- und extralaryngeale Techniken wie die partielle Laryngektomie, die Ventrikulocordektomie, die partielle Arythenoidektomie, die „castellated laryngofissure“ und die Lateralisation des Aryknorpels.

Die Lateralisation des Aryknorpels

ist bis heute die erste Wahl bei L. , wobei dringend darauf geachtet werden muss, dass die Narkosetiefe so weit gesteuert wird, dass die Kehlkopffunktion beurteilbar bleibt!

Wir unterscheiden die einseitige und die beidseitige Larynxparalyse

Zunächst wird ein Trachealtubus mit maximaler Weite gelegt!

Der laterale Zugang beginnt auf der Höhe der Aufzweigung der V. jugularis in die V. maxillaris und V. linguofacialis. Der Hautschnitt wird parallel und ventral der V. jugularis nach distal geführt, darunter das Platysma und der M. parotidoauricularis inzidiert und dorsal sowie ventral gespreizt.

Der dorsale Schildknorpelrand wird ertastet und die Mm. Cricopharyngeus und thyreopharyngeus unter Schonung der Nerven entlang des dorsalen Randes des Schildknorpels inzidiert. Nach Durchtrennung des M. cricoarythenoideus dorsalis wird die Verbindung zwischen Cartilago arytaenoidea und Cartilago cricoidea (Articulatio cricoarytenoidea) stumpf gelöst und der Aryknorpel beginnend an seinem Processus muscularis bis zur Larynxschleimhaut freipräpariert. Der Ösophagus ist zu retrahieren und das

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Ligamentum sesamoideum, das beide Aryknorpel dorsal verbindet, freizupräparieren und zu durchtrennen.

Nahttechnik

Fadenzügel aus monofilamentem nicht resorbierbarem Material z.B. Monocryl 4-0 oder 3-0, beginnend unter dem caudodorsalen Rand des Schildknopels durch die Gelenkfläche des Proc. muscularis rückläufig durch den Schildknorpel. Beide Fäden werden so angezogen und verknotet, dass der Aryknorpel an den kaudalen und medialen Rand des Schildknorpels lateralisiert wird, um so eine permanente unilaterale Weitstellung des Kehlkopfes erreicht.

Diskussion:

Anwendung der Aryknorpellateralisation bei Kehlkopfkollaps unter Anwendung eines Prolene – Netzes und Mehrfachpunktnaht zwischen Aryknorpel und Schildknorpel.

Die notwendigen Zeichnungen und Bilder zu den chirurgischen Eingriffen sind der Print-Skripte beigefügt. Zur Chirurgie des Trachealkollapses wird auf den Text von Steven Schrader, DVM verwiesen: www.kritische-tiermedizin.de

Hamburg, den 15.9.2012

Dirk Schrader, ltd. TA

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